Dein Urzustand und deine aktuelle Konstitution
Die Lehre der Doshas ist ganz zentral im Ayurveda. Wenn wir das erste Mal mit Ayurveda in Kontakt kommen, machen wir in der Regel als erstes einen Doshatest, also einen Konstitutionstest um herauszufinden, wie die Elemente in uns verteilt sind und in welchem Verhältnis die Doshas ausgeprägt sind.
Die Konstitution ist bei jedem Menschen einzigartig. Die 5 Elemente Erde, Wasser, Feuer, Luft und Raum wirken in jedem Menschen auf ganz unterschiedliche Weise und verschmelzen und interagieren, sodass unsere persönliche Identität entsteht.
Wie die Elemente in uns verteilt sind hängt von verschiedenen Faktoren ab: Der mentale und körperliche Zustand beider Elternteile im Moment der Empfängnis spielt eine große Rolle, die Lebensumstände und Phasen der Elternteile in diesem Moment, das Klima in dem unsere Eltern gelebt haben, der geistige und körperliche Zustand der Mutter während der Schwangerschaft, was sie gegessen, gemacht und gedacht hat. Auch der Ort der Geburt und die astrologischen Parameter beeinflussen die Konstitution.
Außerdem haben natürlich auch die subtileren Ebenen unseres Seins einen Einfluss auf die Zusammensetzung der Elemente in uns. Dazu gehören unsere vergangenen Leben und unser individueller Seelenplan für diese Inkarnation.
Wir werden also mit unserer individuelle Konstitution geboren. Das Verhältnis in dem die Doshas im Moment der Geburt vorliegen, ist unser natürlicher Zustand, dieses Verhältnis wird Prakriti genannt.
Wenn wir als Kinder dann groß werden, erlernen wir unterschiedliche Muster und Verhaltensweisen und werden von unserem Umfeld beeinflusst. Einen großen Einfluss auf uns haben natürlich die Menschen die uns nahe stehen, also unsere Eltern, Geschwister, Großeltern, Lehrer und Freunde. Wir können aber auch von fiktiven Charaktern in Filmen oder Personen des öffentlichen Lebens beeinflusst werden.
Auch die Ernährung beeinflusst uns maßgeblich. Der bekannte ayurvedische Doktor Vasant Lad sagte: „The quality of your mind depends on the quality of your food.“
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„The quality of your mind depends on the quality of your food.“
Dr. Vasant Lad
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Was dann passiert, ist Folgendes: All diese äußeren Einflüsse verschieben die Elemente in uns. Sie bewegen sich weg von dem Zusammenspiel, der bei unserer Geburt vorherrschte, unserem Prakriti. Die neue, aktuelle Version von den Elementen heißt Vikriti.
Vikriti verändert sich permanent. Wir können den Einfluss des Lebens auf uns nicht stoppen, denn wir sind Teil der immer dynamischen und wandelnden Natur. Dadurch sind wir im ständigen Ausgleich mit unserer Umwelt und mit unseren Mitmenschen. Unser Vikriti ist also in jedem Moment neu.
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Was wir im Ayurveda tun, ist grob gesagt, dass wir danach streben, unser Vikriti so gut wie möglich an unser Prakriti anzugleichen und in unseren ursprünglichen Zustand zurückzukehren.
Wir tun dies durch bestimmte Praktiken im Alltag, beispielsweise durch eine bestimmte Ernährung, bestimmte Verhaltensweisen, eine tägliche Routine, die uns gut tut und indem wir achtsam und liebevoll mit uns selbst umgehen.
Bei starken Diskrepanzen zwischen Vikriti und Prakriti können sich Krankheiten manifestieren und ayurvedische Therapien und Kräuter kommen zum Einsatz.
Im dem Konzept von Prakriti und Vikriti liegt ein ganz zentraler, wichtiger Punkt:
Es geht im Ayurveda nicht darum, die drei Doshas Vata, Pitta und Kapha in ein 1:1:1 Verhältnis zu bringen. Wir arbeiten nicht darauf hin, dass jedes Dosha genau 33% von unserer Konstitution annimmt.
Es geht vielmehr darum, zu verstehen, in welchem ganz besonderen und individuellen Verhältnis die Doshas zum Zeitpunkt unserer Geburt vorlagen – unser Prakriti – und in diesen Zustand zurückzukehren. Und dieser Zustand ist bei jedem anders. Manche Menschen werden mit viel Vata Dosha geboren und einem sehr geringen Anteil von Kapha. Bei anderen ist es andersherum. Manche haben 2 Dohas sehr stark ausgeprägt und eins sehr wenig. In selten Fällen kommt es auch mal vor, dass alle in etwa gleich stark ausgeprägt sind, aber das ist eher die Ausnahme.
Unser Prakriti ist unser Urzustand. Der Zustand, in dem wir in Gesundheit, Wohlbefinden und in Einklang mit dem Leben sind. Wenn wir es schaffen, unser Vikriti dem Prakriti immer mehr anzugleichen, dann kommen wir immer mehr in unsere Mitte, haben plötzlich viel mehr Energie und das Leben fließt leicht und spielt uns zu.
Was jedoch im Ayurveda oft passiert, ist dass wir den Konstitutionstest am Anfang machen und dann das Ergebnis meistens nicht gut finden. Kommt dir das bekannt vor? Das ist ganz typisch. Wir lesen die drei Optionen auf dem Testbogen und bewerten sie.
Oft finden wir eine Option am besten und schummeln auch gern mal und kreuzen lieber diese Option an, die sich ja so gut anhört, anstatt die, die eigentlich auf uns zutrifft. Ich rate deswegen immer dazu, den Test einmal alleine zu machen und dann noch einmal mit einer Person, die uns nahe steht und der wir vertrauen.
Mir selbst ist das auch passiert – als ich das erste Mal in einem Ayurveda Workshop in Guatemala teilgenommen habe, war mein Ergebnis eindeutig Kapha. Ich fand das richtig gut! Kapha klang so toll! Im Nachhinein kann ich den fragenden Blick meines Lehrers gut verstehen und darüber lachen, denn jeder der sich mit Ayurveda auskennt, sieht mir sofort mein dominantes Vata Dosha an.
Vata und Kapha Menschen haben nämlich oft die Tendenz das Gegenteil von sich selbst besser zu finden. Vata findet sich zu dünn, Kapha findet sich zu dick. Vata findet seine Arme zu lang, Kapha seine Beine zu kurz….die Liste kann ewig so weiter gehen, aber der wichtige Punkt ist, dass wir uns oft auf diese Weise bewerten. Pitta bewertet auch, nur auf eine andere Art. Denn Vata und Kapha werten sich selbst oft ab, während Pitta dazu neigt, die anderen abzuwerten. Pitta Menschen sind generell sehr selbstbewusst und finden sich selbst oft ziemlich toll, sodass ihr Testergebnis manchmal in die Richtung verfälscht ist, ein bisschen zu viel Pitta angekreuzt zu haben.
Im Ayurveda geht es nicht darum, sich selbst zu vergleichen. Das ist totaler Quatsch, wenn wir bedenken, dass ja jedes Lebewesen absolut einzigartig ist. Es geht viel mehr darum, immer mehr zurück zu unserem Urzustand, unserem Prakriti, zu kommen. Prakriti wird für jeden anders aussehen und wir dürfen uns erlauben, unsere individuelle Besonderheit zu feiern und auszuleben. Denn erst wenn wir das tun, beginnt das Leben leicht zu werden und wir hören auf, gegen uns selbst anzukämpfen.
Und genauso wie wir uns selbst feiern dürfen, dürfen wir auch die Einzigartigkeit von allen anderen Menschen feiern. Es gibt so viel, das wir voneinander lernen können, indem wir unseren Fokus von den Schwächen auf die Stärken jedes Einzelnen legen.
Hast du schon deine Doshatest gemacht? Du kannst ihn dir hier runterladen!
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Deine Laura
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