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Wer sich ein bisschen mit Yoga auskennt, weiß, dass Yoga weit über die Körperhaltungen, also die Asanas hinausgeht. Yoga ist eine uralte Philosophie, die Antworten auf die großen Fragen des Lebens gibt.
Ich bin Laura, ich bin begeisterte Yoga Übende und zertifizierte Iyengar Yoga Lehrerin. Ich liebe es, meine Schüler*innen für Yoga zu inspirieren und möchte heute mit dir über die Kraft der Asanas sprechen und warum wir im Yoga mit dem Körper arbeiten. Lass uns dafür mit einer ganz wichtigen und zentralen Frage starten:
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Was ist Yoga?
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Yoga wird an verschiedenen Stellen der alten Schriften unterschiedlich definiert, weil es einfach so ein großes Konzept ist und schwer in Worte zu fassen ist. BKS Iyengar definiert Yoga beispielsweise als Union von Körper, Geist und Seele. In den Yoga Sutren beschreibt Patanjali Yoga als das zur-Ruhe-kommen der Gedankenwellen des Geistes.
Diese Definitionen von Yoga sind wichtig und sollten von uns Yogaschüler*innen gekannt werden, aber mal ganz ehrlich – wie greifbar sind diese Worte für dich? In wie weit können wir die Union von Körper, Geist und Seele in unseren Alltag einbringen oder bewusst die Gedankenwellen des Geistes beruhigen?
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Asana macht Yoga greifbar
Hier kommt die Asanapraxis ins Spiel. Eine der wertvollsten und fantastischsten Dinge der Asanapraxis ist, dass sie Yoga für uns greifbar macht. Wir starten mit dem, was für uns echt und im wahrsten Sinne des Wortes greifbar ist – nämlich mit dem Körper. Der Geist ist natürlich auch echt, aber ihn zu greifen und zu kontrollieren ist viel komplizierter, als den Körper zu kontrollieren. Der Geist ist so schnell und springt von einem Gedanken zum anderen – dies im Zaum zu halten, erfordert enorme Disziplin und Selbstkenntnis.
Mit dem Körper hingegen können wir starten. Der Körper ist für uns viel zugänglicher. Und auch wenn die Asanapraxis von außen auf den ersten Blick rein körperlich aussieht, geht sie weit über den Körper hinaus.
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Die Verbindung von Körper und Geist
Sowohl im Yoga als auch im Ayurveda gehen wir davon aus, dass die gesamte manifestierte Natur, Prakriti, aus dem Zusammenspiel der 5 Elemente Erde, Wasser, Feuer, Luft und Raum besteht. Zu Prakriti gehört alles was wir sehen und anfassen können, alles was uns umgibt und auch alles was wir hören, denken, fühlen und wahrnehmen können. Sowohl die grobstoffliche Ebene unseres Seins, also der Körper, als auch die feinstofflichen Ebenen, also unsere innere Welt, bestehen aus den 5 Elementen.
Körper und Geist sind also aus dem gleichen Material und somit untrennbar miteinander verbunden und beeinflussen sich gegenseitig. Emotionen beispielsweise haben immer einen bestimmten Gesichtsausdruck und eine bestimmte Körperhaltung zur Folge. Wenn wir Angst haben, senken wir den Kopf und heben die Schultern. Wenn wir wütend sind, ziehen wir die Augenbrauen zusammen und spannen das Kiefergelenk an. Die Emotionen und Gedanken, die aus unserer inneren Welt kommen, beeinflussen also direkt unseren Körper.
Spannend wird es, wenn wir diese Verbindung beginnen für uns zu nutzen. Und genau das machen wir in den Asanas – mit einem ganz zentralen Unterschied: Wir starten mit dem Körper und beeinflussen dadurch unsere innere Welt.
Mach gern einmal ein kleines Experiment mit mir zusammen: Erinner dich an einen Moment in deinem Leben, an dem du so richtig wütend warst – spür die Wut jetzt noch einmal. Und dann halte diese Wut, sei richtig wütend und jetzt: lächle aus vollem Herzen übers ganze Gesicht und bleib weiter so richtig wütend!
Das fühlt sich ein bisschen so an, als würde es einen Kurzschluss im Gehirn geben, oder? 😉 Das liegt daran, dass es einfach nicht möglich ist. Der Körper spricht immer die gleiche Sprache der inneren Welt und auch anders herum.
Das bedeutet also, wenn wir durch einen regelmäßige Asanapraxis unseren Körper auf eine gewisse Art und Weise trainieren, dann verändern sich auch die Grundmuster unserer Gedanken und Emotionen.
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Die Kraft einer aufrechten Körperhaltung
Eine verschlossene Körperhaltung, mit zusammengesunkener Wirbelsäule, Schultern, die nach vorne Rollen und einem hängenden Kopf, resultiert automatisch in einem verschlossenen Geist. Die Gedanken und Emotionen laufen automatisch eine negativ Spirale hinab und wir beginnen dem Leben immer misstrauischer gegenüber zu treten und halten an negativen Gedanken und Gefühlen fest – was wiederum die verschlossene Körperhaltung weiter fördert.
Um aus diesem Kreis auszubrechen, ist die Asanapraxis unheimlich kraftvoll. Im Iyengar Yoga ist die Aufrichtung der Wirbelsäule ein ganz zentraler Aspekt der Praxis. BKS Iyengar sagte, dass es die Aufgabe der Wirbelsäule ist, den Geist wachsam zu halten. Wenn die Wirbelsäule in sich zusammenfällt, verliert der Geist seine Klarheit und die Kapazität gute Entscheidungen zu treffen.
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„It is the spine’s job to keep the mind alert. To do this, the spine has to keep the brain in position. The spine must never be slack but must reach up to the Self. Otherwise, the divine light within you dims.“
„Es ist der Job der Wirbelsäule den Geist wachsam zu halten. Um dies zu tun, muss die Wirbelsäule das Gehirn in Position halten. Die Wirbelsäule sollte nie in sich zusammenfallen, sondern immer zum höchsten Selbst hinauflangen. Ansonsten verdunkelt sich das göttliche Licht in dir.“
BKS Iyengar in Light on Life (dt. Licht aufs Leben)
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Bewusst die Wirbelsäule zu verlängern, die Schultern zurückzurollen und das Kinn zu heben, verändert automatisch unsere innere Welt. Nur ein paar Minuten in dieser Haltung verändern die Biochemie unseres Körpers und resultieren in einer viel optimistischeren inneren Haltung.
Eine kraftvolle Körperhaltung ist also unverzichtbar, um ein glückliches und erfülltes Leben zu führen.
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Agieren statt re-agieren
Abgesehen von einer offenen und starken Körperhaltung kann die Asanapraxis aber natürlich noch viel mehr:
Während der Praxis schulen wir unseren Geist durch einen bestimmten Prozess, den wir in den Asanas immer wieder durchlaufen. Iyengar Yoga ist für seine Präzision und Genauigkeit der Asanas bekannt. Das hat natürlich zum einen auf körperlicher Ebene zum Vorteil, dass die Übungen für den Körper gesund und fördernd ausgeführt werden, aber auch auf innerer Ebene passiert etwas ganz spannendes:
Durch die präzise und aufmerksame Arbeit mit einem bestimmten Körperteil, trainieren wir unsere Kapazität zu beobachten. Sich selbst wahrzunehmen und zu schauen, was wir eigentlich machen, ist immer der erste Schritt hin zu einem Wandel. Wir gewinnen dadurch einen Überblick darüber, wie wir eigentlich handeln und können dies im ersten Schritt wahrnehmen und dann im zweiten Schritt aktiv korrigieren. Dieser Prozess passiert – wenn wir auf die Iyengar Yoga typische Art üben – immer wieder während einer Übungseinheit. Es geht ständig darum, zu sehen, was der Körper macht, dies wahrzunehmen und dann zu lernen, zu korrigieren. Dieser Prozess schult uns nicht nur auf körperlicher Ebene, sondern vor allem auch im Inneren. Wir lernen uns selbst mit einer gewissen Distanz zu betrachten und schaffen durch diese Distanz einen Raum zwischen der gegebenen Situation und unserer Reaktion darauf. Anstatt blind zu re-agieren, lernen wir immer mehr bewusst zu agieren und unsere Handlung aktiv zu wählen. Und das ist nicht nur in der Asanapraxis, sondern auch in allen Aspekten unseres Alltags eine der wertvollsten Qualitäten, die Yoga in uns kultivieren kann.
Asanas sind wirklich magisch, wenn wir mit vollem Einsatz und Präsenz üben. Ich hoffe, ich konnte dich mit diesem Artikel dazu inspirieren, deine eigene Praxis noch einmal neu zu vertiefen und sie als kraftvolles Tool für ein erfülltes und glückliches Leben zu nutzen.
Deine Laura
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